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Persönliche Erinnerungen Frauenfußball in der DDR – Bezirk Neubrandenburg
Frauenfußball war auch in Neubrandenburg ein Thema. Sportlich lief es ab 1972 dank des Trainers Woldemar Schernau sehr gut. Er sorgte dafür, dass die Mannschaft aus dem Bezirk mit der Spitze mithalten konnte (auf die Republik bezogen). Die Meinungen zum Frauenfußball gingen innerorts erwartungsgemäß auseinander. Vor allem die Herren waren kein großer Fan davon.

Zum Glück sahen dies die Verantwortlichen von der BSG Ascobloc Neubrandenburg anders und unterstützen den Frauenfußballsport mit einem Aushang in ihrem Nahrungsgütermaschinenbauwerk. Es entwickelte sich schnell ein Trainingsbetrieb, bei dem sich ab März 1972 die ersten fünf Mädchen ab 16 Jahren einfanden. Schon am 2. April zeigten sich die Damen der Ascobloc das erste Mal in der Öffentlichkeit. Beim traditionellen Forst-Pokal der Herrenmannschaften wurde ein sogenanntes Rahmenspiel zwischen den Ascobloc-Frauen und einem Team von Traktor Rosenthal initiert, dessen Spielerinnen bereits seit 1971 im Training standen: Da wir auch noch keinen Torwart hatten, sprang der Mannschaftskapitän der Volleyballerinnen, Anneliese Asmus ein. Mehr als 200 Leute hatte die Ankündigung dieses Spieles in die Stadthalle gezogen.

Zwar handelte es sich bei der Begegnung nur um ein Hallenfußballspiel, aber die lila-weißen Damen von Ascobloc verkauften sich teuer und verloren das Spiel nur knapp. Es bedeutete die Geburtststunde des heute noch existierenden Frauenfußballs in der Vier-Tore-Stadt Neubrandenburg, der über die Jahre erfolgreich weitergeführt wurde. Im ersten Jahr sorgte Übungsleiter Schernau dafür, dass seine Damen gegen die in der Umgebung aktiven Damenmannschaften antraten. Zwischen Mai und September folgten regelmäßig Spiele, wie gegen die BSG Einheit Teterow als zweitem Gegner überhaupt und als erstem auf dem Großfeld. Die Teterowerinnen waren zu diesem Zeitpunkt laut Schernau eine der ersten und stärksten Frauenmannschaften der Region, die u.a. im FDGB-Pokal – wohl auf Bezirksebene – hinter der MR Neustreelitz den zweiten Platz belegt hatten. Bereits im Juni siegten die Neubrandenburgerinnen gegen die BSG Traktor Rosenow und beim Pressefest der Freien Erde, der Lokalzeitung aus Neubrandenburg, holten sie den dritten Platz. Den ersten Dämpfer erhielten die Ascobloc- Damen mit ihrem Auftritt bei den Festtagen der Kultur in Rostock, wo sie gegen die BSG Post ein Einlagespiel bestritten, das sie vor 400 Zuschauern mit 0:7 verloren. Der Höhepunkt ihres ersten Jahres war die Auslandsreise nach Szczecin zur Gewerkschafts-mannschaft Mors mit der gesamten BSG-Fußballsektion. Die Szczecinerinnen gehörten zu den polnischen Spitzenmannschaften, auch wenn sie erst seit 1970 bestanden. Bemerkenswert an dieser Reise war, dass Schernau es bis dato nicht erreicht hatte, eine vernünftige Torfrau zu finden und dass die Grenzkontrollen derart scharf waren, dass eine Spielerin, die ihren Reisepass vergessen hatte, an der Grenze wieder nach Hause fahren musste. Beides trug wohl – neben der Spielstärke der Mors-Spielerinnen – dazu bei, dass es am Ende eine 0:9-Auswärtsniederlage für die Neubrandenburgerinnen hagelte. Immerhin unterlagen bei der BSG-Reise auch die Männer mit 1:3 und die Junioren erkämpften einen Punkt. Nur die Schüler siegten 6:0.

Das aus heutiger Sicht legendäre Neubrandenburger Hallenfußballturnier initiierte Schernau im September 1972. Zu Anfang machte es sich mit internationaler Besetzung aus den sozialistischen Bruderländern einen Namen. Den ersten Sieg des Turniers holte sich Mors Szczecin, die Spielerinnen von Schernau erreichten hierbei den dritten Platz. Für den Mannschafts- und Übungsleiter war dies ein großer Erfolg in der durchaus schwierigen Anfangszeit: Wer auch immer gegen den Damenfußball polemisiert, bei diesem Turnier der BSG Ascobloc wurde bewiesen, dass in der bisher für Männer privilegierten Sportart auch in unserem Bezirk ein Durchbruch erzielt wurde.

Schernau führte zudem von Beginn an eine individuelle Bewertung der Fußballerinnen ein. Anhand einer eigenen Punkteskala kührte er im Rahmen des Neubrandenburger Hallenturniers als beste Fußballerin des Spieljahres 1972 Sigrun Oswald. Zu diesem Zeitpunkt waren 15 Spielerinnen im Team. Bis in den Oktober hinein wurde der Spielbetrieb durch die Neubrandenburgerinnen fortgesetzt. Sie hatten das Ziel, die stärkste Mannschaft im Bezirk, die BSG Einheit Teterow, noch im selben Jahr zu schlagen. Sogar eine Zuschauerin aus West-Berlin, selbst aktive Fußballerin, wohnte dem Spiel bei, zu dem die Neubrandenburgerinnen – im Vorfeld des Männerspiels zwischen der BSG Post Rostock und Motor Schwerin – am 29. Oktober 1972 antraten. Sehr wahrscheinlich war sie durch verwandtschaftliche Kontakte von Schernau in Neubrandenburg zu Gast. Das Spiel endete 2:2. In einem Brief, den sie kurze Zeit später an ihren Neubrandenburger Freund schrieb, wünschte sich die Spielerin, dass es bald zu einem Freundschaftsspiel zwischen ihrer Mannschaft, dem Mariendorfer BC 06, und der BSG Ascobloc Neubrandenburg komme: Im Namen der Damenfußballmannschaft MBC 06 e.V. übersende ich die allerherzlichsten Sportlergrüße, mit den besten Wünschen für weitere Erfolge. Wir hoffen, dass wir als West-Berliner im direkten Vergleich gegen die Neubrandenburger Damen bald antreten können.

Zu diesem Spiel kam es leider nie. Schernaus späterer Nachfolger Werner Lenz berichtete, dass er diesem davon abgeraten habe, das Freundschaftsspiel überhaupt zu beantragen, da es politisch missbraucht und als Lachnummer hingestellt worden wäre. Für einen tatsächlichen freundschaftlichen Vergleich hätten keinerlei Wege bestanden, weder offizielle noch inoffizielle.

Schon in seinem ersten Jahr setzte Schernau auf den Nachwuchs. Das bedeutete letztlich auch, dass die guten jungen Spielerinnen später mit gefälschten Geburtsdaten in den Damenmannschaften eingesetzt wurden, wie Lenz bestätigte: Meine älteste Spielerin war 43 und die jüngste Spielerin war 13. Heute kann man es ja sagen, die war zwölf, aber mit 13 haben wir sie spielen lassen, damit man die Mannschaft voll bekam. Ja, und wenn wir zu Spielen unterwegs waren, dann mussten die verheirateten Frauen ja zu Hause auch den Widerstand ihrer Männer brechen.

Dabei fanden die Spielerinnen zahllose Möglichkeiten, um gegen den vorhandenen Widerstand vorzugehen, z. T. sogar mit nicht ganz offenen Mitteln. So berichtete Lenz von der Sportfreundin Silvia Mundt – verheiratet, zwei Kinder – deren Mann zwar nichts gegen den Frauenfußball an sich hatte, aber dennoch nicht wollte, dass seine Frau ständig unterwegs war. In der Folge kam die Spielerin auf die Idee, die Fußballgarnitur bei ihrer Mutter zu deponieren. Ihrem Mann teilte sie dann am Wochenende mit, sie müsse jetzt zur ihrer Mutter, um in den nächsten drei Stunden Gardinen aufzuhängen. Drei Stunden, die sie dann Fußball spielend verbrachte. Kaum leichter hatte es ihre Mitspielerin Michaela Fritsch, ebenfalls mit zwei Kindern und verheiratet, deren Mann strikt gegen den neuen Sport seiner Frau war. Ihre Kinder, die sie zu den Spielen deshalb immer mitnehmen musste, nahmen auf eigene Weise an den Spielen teil: Und da haben wir in Rostock gespielt auf dem Platz. Und ich hatte immer meine Aktentasche dabei und in der Tasche hatte ich meine ganzen Unterlagen, was man so braucht. Und nun musste ich die Mannschaft immer dirigieren. Und dann haben sich die beiden Burschen, es waren zwei Jungs, Scharbernack gemacht und haben die Tasche mit Sand gefüllt. Und haben sich dann nachher sehr gefreut.

Beispiele wie diese zeigen, wie sich die Ascobloc-Damen auch gegen Schwierigkeiten durchsetzten und einander auf vielen Wegen halfen. Diese Kameradschaft ging an zahlreichen Stellen über den engeren Kreis der Mannschaftskameradinnen hinaus. So hütete etwa die Frau von Werner Lenz regelmäßig die Kinder der Spielerinnen, während diese trainierten.

Bis zur Bestenermittlung verlief die Entwicklung des Frauenfußballs in Neubrandenburg trotz allem noch längst nicht so, wie sich Übungsleiter Schernau diesen, gerade in Sachen Förderung und Unterstützung, vorgestellt hatte. In einem Artikel, der 1975 unter dem Titel Frauenfußball bei uns nicht mehr gefragt? in der Freien Erde erschien, verlieh er seinem Unmut darüber Ausdruck, dass die Verbandsunterstützung auf Kreisebene ausblieb, nachdem die Anfänge mit elf Kollektiven in Teterow, Neustrelitz, Pasewalk und Neubrandenburg so vielversprechend gewesen waren: Da dürfte schon näherliegen, dass sich viele KFA- und Sektionsfunktionäre mit der Organisierung des Übungs- und Wettkampfbetriebes des männlichen Bereiches voll ausgelastet fühlen, sich davor scheuen, zusätzliche Aufgaben zu übernehmen. Wir meinen vielmehr, dass unbeschadet persönlicher Auffassungen die Kreisfachausschüsse die Pflicht haben das Feld zu sondieren.

Immerhin konnten die Ascobloc-Damen nach den ersten drei Jahren auf 150 Spiele, darunter 22 internationale Vergleiche, zurückblicken. Dies war u. a. darauf zurückzuführen, dass im eigenen Betrieb regelmäßig Werbung um Nachwuchs gemacht wurde. Übungsleiter Schernau lockte mit einer guten fußballerischen Ausbildung und höchstens 30 bis 40 Spielen im Jahr sowie mit unvergessliche [m] Erlebnisreichtum bei Fahrten und Veranstaltungen im In- und Ausland. Kameradschaftliche Hilfe und Freundschaft in einem echten Kollektiv.

Was wünschte sich eine Fußballfrau mehr? Allerdings gab es eine Altersbegrenzung von 13 bis 35 Jahren und der Ascobloc-Trainer hatte ein klares Profil seiner Spielerinnen vor Augen. Sie sollten neben guten schulischen oder beruflichen Leistungen v. a. körperliche Gewandtheit und sportliches Talent mitbringen. Am liebsten waren Spielerinnen gesehen, die zuvor schon im Handball aktiv gewesen waren.

Im Dezember 1975 wurde Woldemar Schernau vom BFA Neubrandenburg beauftragt, den Frauenfußball im Bezirk nach dem Vorbild seiner eigenen BSG aufzubauen und zu aktivieren, so wie es die Spielordnung vom DFV aus dem Jahr 1974 vorsah. So sollten im Bezirk vier Hallenturniere pro Saison, zwei Kleinfeldfeldrunden in Pokalform und zwei Punktspielserien auf dem Großfeld eingerichtet werden.

Bei der Nahrungsmittelgütermaschinenbau in Neubrandenburg wurde Frauenfußball also keineswegs unprofessionell gespielt: Vielmehr suchten sich die Aktiven frühzeitig sportliche Kriterien, mit denen mehr als nur Hausfrauenfußball gespielt werden konnte. Dies entsprach einer Förderstrategie, die v. a. der Übungsleiter von der BSG Turbine Potsdam, Bernd Schröder, seit 1971 verfolgte und über die Jahre perfektionierte.

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