Tüchtige Berliner Frauen – Frauenfußball in der DDR
Als die Trybuna Ludu (polnische Tageszeitung) ein Pressefest gab, war die Frauenfußballmannschaft von Berlin zu Gast in Warschau. Am Ende gab es viel Lob, denn die deutschen Kickerinnen gewannen vor 60.000 Zuschauern mit 4:2. Die Gastgeber waren weniger glücklich darüber, ins Netz trafen Keller, Stoppa und zwei Mal Hruby. Nervosität kannten die Berlinerinnen übrigens nicht.
Sportart in den internationalen Wettkampf geschafft hatte, bevor der Verband die Ausrichtung einer DDR-Bestenermittlung zuließ, die zudem bis zum politischen Umbruch nie den Charakter einer DDR-Meisterschaft erhielt. Es gelang den Fußballerinnen also gerade durch ihre internationalen Gastspiele, punktuell Aufmerksamkeit für ihren Sport zu erhalten, die ihnen im sportlichen Alltag verwehrt blieb.
Zeitgleich waren die Strukturen in der CSSR, in Polen oder in den skandinavischen Ländern um ein Vielfaches besser umgesetzt, wo man Auf- und Abstiegsspiele in einer Landesmeisterschaft ausspielte. Gerade die Mannschaften von NHKG Ostrava und Korvo sowie Slavia und Sparta Prag bestimmten frühzeitig den osteuropäischen Frauenfußball. In den ersten fünf Jahren konnte etwa die BSG Turbine Potsdam nur selten gegen ein Team aus der CSSR gewinnen. Im DDR-Maßstab blieben sie in der Anfangszeit allerdings ungeschlagen.
Einordnung der spielerischen Anfänge in der FUWO und dem Deutschen Sportecho
In der Verbandszeitschrift FUWO war es Anfang des Jahres 1976 zwar nur eine Randnotiz wert, aber es wurde ein kleiner Meilenstein für die Nachwuchsförderung im Frauenfußball in der DDR, als der Fußballverband mit folgendem Beschluss auf die Entwicklung junger Spielerinnen unter 16 Jahren reagierte: Auf Vorschlag der Rechtskommission und der Kommission für Freizeit- und Erholungssport legte das Büro des Präsidiums in der Arbeitstagung am 18.12.1975 fest, im Interesse der Aufrechterhaltung des Spielbetriebs von Frauenfußball-Mannschaften die Teilnahme von Jugendlichen unter 16 Jahren zu genehmigen, wenn eine entsprechende sportärztliche Bestätigung vorliegt. Spielberechtigungen können auf der Grundlage durch den zuständigen Kreisfachausschuss erteilt werden.
Wichtig hierbei war die Formulierung, den Spielbetrieb aufrecht erhalten zu wollen, die nahelegt, dass die Funktionäre im DFV den Frauenfußball jetzt als festen Bestand-teil im Freizeit- und Erholungssport ansahen. Ob sie für diese Entscheidung auch den vergleichenden Blick in die Bundesrepublik wagten, lässt sich leider nicht mehr feststellen, ist aber anzunehmen. In westdeutschen Vereinen konnten Mädchen im Alter von 14 Jahren bereits ab 1973 am Spielbetrieb teilnehmen und das nur drei Jahre nach der Aufhebung des 15-jährigen formellen Verbotes des DFB im Jahr 1970.
Die FUWO widmete in der Serie IX. Parteitag 1976 auch einer Fußballerin ein Portrait. Anlässlich des Internationalen Frauentages betonte die Autorin Bärbel Richter, wie sehr Frauen wie Gisela Liedemann, eine Spielerin von der BSG Turbine Potsdam und DTSB-Funktionärin, ihren Mann in der Deutschen Demokratischen Republik stünden und somit erfolgreich zur Gleichberechtigung der Frau in der DDR beitragen würden. Liedemann wird in diesem Bericht als vorbildliches Beispiel einer sportlichen Frau beschrieben, die im Beruf, in der Gemeinde und in der Freizeit Verantwortung übernehme, und das, obwohl sie parteilos sei. Ihr Trainer, Bernd Schröder, wurde wie folgt zitiert: Sie ist ruhig, bescheiden, zurückhaltend und sorgt für den mannschaftlichen Zusammenhalt.
Es dauerte weitere fast vier Jahre, bevor ein ähnlich großer Beitrag wieder in der FUWO erschien. In der Zwischenzeit gab es immer öfter kleinere Artikel – meistens Leserbriefe – mit Informationen über den Spielbetrieb in den 15 Bezirken der DDR. Auf diesem Weg war beispielsweise im Juni 1976 zu erfahren, dass es in Zwickau schon jahrelang einen Spielbetrieb gab, weil die BSG Sachsen Zwickau in ihrem 125. Jubiläumsspiel gegen die Bezirksnachberinnen der BSG Modedruck Gera mit 4:1 gewinnen konnte. Über die erfolgreiche Mannschaft der BSG EAB Lichtenberg 47 aus Berlin schrieb Abteilungsleiter Alfred Spanke mit Stolz, dass seine Berlinerinnen seit der Gründung im März 1971 insgesamt 130 Begegnungen auf dem Feld ausgetragen hatten; davon hatten sie 108 gewonnen, bei 13 die Punkte teilen müssen und lediglich neun verloren. Ebenso schaffte es die Ermittlung des Magdeburger Bezirksbesten im Frauenfußball in die Verbandszeitschrift, weil der Sieger BSG Motor Schönebeck erst nach Elfmeterschießen vor 400 Zuschauern feststand.
Manchmal brachte die FUWO auch ein Kurzportrait einer BSG mit einer Frauenmannschaft, wie Motor Wildau, die in diesem Zusammenhang im Juni 1977 als vorbildliche Sektion vorgestellt wurde. An anderer Stelle, in der Rubrik Auserwähltes, wurde die Zahl von 21 Frauenmannschaften genannt, die im Bezirk Karl-Marx-Stadt regelmäßig am Punktspielbetrieb teilnahmen. Der gleiche Bezirk bekam nur wenige Monate später erneut die Möglichkeit, sich mit seinen Frauenfußballerinnen zu präsentieren, als eine Spielerin den Einsatz ihrer Mannschaft für das Wirken im Verband hervorhob: Wir Damenfußballerinnen von der BSG Wismut Karl-Marx-Stadt wollen ebenfalls den umfangreichen Programmentwurf des VI. Verbandstages des DFV der DDR verwirklichen. Im vergangenen Jahr waren wir sowohl in der Halle als auch auf dem Feld Bezirksbeste. Eine aus unserer Mitte wurde in die Sektionsleitung gewählt. Drei Spielerinnen besuchen gegenwärtig einen Schiedsrichterlehrgang und werden nach erfolgreicher Absolvierung Vergleiche im Nachwuchsbereich leiten. Außerdem wollen mehrere Sportfreundinnen an einem Übungsleiterlehrgang teilnehmen.
Informationen wie diese oder auch nur kleine Notizen, etwa über ein Werbespiel im Juni 1978 in Möhlau (Bezirk Halle) vor 500 Zuschauern zwischen der BSG Turbine Potsdam und Chemie Wolfen, das 2:2 endete, beschrieben ansatzweise die DDR-weiten Etappen des Frauenfußballs. In Eigeninitiative und nur mit geringer Unterstützung des Verbandes breitete sich diese Sportbewegung immer weiter aus. Binnen kurzer Zeit intensivierten einige Mannschaften ihren Spielbetrieb – wie die BSG Sachsen Zwickau, die innerhalb von nur zwei Jahren weitere 75 Spiele schaffte und im Sommer 1978 ihr 200. Großfeldspiel absolvierte. Andere holten in der Entwicklung weiter auf, so der bis dato unterschätze Bezirk Gera, der im Frauenfußball Ende der 1970er Jahre eine Bezirksmeisterschaft in der Halle ins Leben rief. So auch die BSG Motor Mitte Karl-Marx- Stadt, die mit ihrem Einwurf daraufhinwies, dass sie seit 1970 167 Spiele ausgetragen hatte, wovon sie 92 gewonnen, 59 unentschieden gestaltet und 16 verloren hatte. Die BSG Motor Köpenick feierte 1978 ihre insgesamt dritte Berliner Meisterschaft. Die letzten Presseberichte im Fußballjahr 1978 bestätigten ein Frauenfußballturnier der BSG Motor Schönebeck am Tag der Republik und die Ermittlung des BFA-Bezirkspokalsiegers in der Halle aus Karl-Marx-Stadt.
Als Zwischenfazit lässt sich anmerken, dass die Anzahl der Artikel zum Frauenfußball bis zum Herbst 1978, kurz vor Beginn der Bestenermittlung, sehr übersichtlich war. Der Siegeszug des Frauenfußballs kam aus der Nische des Freizeit- und Erholungssports in den sportlichen Wettkampfbetrieb, der von den Frauen gegen zahlreiche Vorbehalte und Vorurteile selbst erkämpft worden war. Als Frauensport wurde er nun auf einmal auf die Vorzüge der sozialistischen Gesellschaftsordnung zurückgeführt: Ursache der Erfolge des Frauensports der sozialistischen Länder sind die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau im Sozialismus.
Die Erfolge des noch jungen Frauenfußballs waren enorm. Die Fußballerinnen spielten bereits im sozialistischen Ausland Freundschaftsspiele und -turniere. Sie hatten in kurzer Zeit in ihren jeweiligen Bezirken selbstständig einen Punktspielbetrieb aufgebaut und wollten noch weiter: mit einem eigenen nationalen Titelwettkampf. Da der weibliche Kick in das Aufgabengebiet des Freizeit- und Erholungssports beim DTSB fiel, konnte der Frauenfußball nicht mehr ignoriert werden, wie die Auswertung der Berichterstattung im Deutschen Sportecho und in der FUWO bis hierhin gezeigt hat.
Vor allem aber die Betriebe, in denen die Mehrheit der Frauen in den angegliederten BSGs spielten, publizierten mit Freude über ihre Ballsportlerinnen. Aus diesem Grund folgt ein Einblick in die persönlichen Erinnerungen der ersten Fußballerinnen zwischen der Sächsischen Schweiz, dem Erzgebirge und der Ostsee, die zusammen mit ihren Trainern und Betreuern die Anfänge des Frauenfußballs in der DDR prägten und zum Teil bis heute ihre Erfahrungen an Nachwuchsspielerinnen weitergeben.